Montag, 3. August 2009

Las desgracias nunca vienen solas

Wer dachte auch schon, dass man immer Glück hat im Leben?
In den zwei letzten Tagen geschahen um die 10 Dinge, die nicht geschen sollten; ein Unglück kommt halt selten allein:
1. Damit Bernardo mit uns nach Baños kommen konnte, verschob er einen, für sein neues Lokal wichtigen Termin auf Samstag früh. Nachdem Julius und ich schon längst fertig waren, Bernardo aber noch nicht:) waren wir schon mehr als eine halbe Stunde zu spät, an sich in Ecuador nicht schlimm. Bernardo scheuchte also sein armes Auto Quitos Hügel hoch und runter, bis Julius irgendwann feststellte, dass der Tacho nicht mehr ging und 1 Minute später blieben wir auch tasächlich stehen. Nix klappte mehr und herbeigerufene Mechaniker stellten einen Kurzschluss fest, das Auto musste in die Werkstatt.

2. Bernardo verpasste seinen Termin, konnte ihn aber auf Sonntag nachmittag verschieben. Da er den Termin unbedingt wahrnehmen musste bedeutete dies für uns, dass Bernardo uns nicht nach Baños begleiten konnte und wir waren alle sehr geknickt.

3. Bernardo entschied sich uns mit Bussen zum Busbahnhof zu lotsen. Dies gestaltete sich jedoch komplizierter als angenommen. Der Busbahnhof war im absoluten Süden Quitos neu errichtet worden, was Bernardo nicht wusste bevor er es im Bus erfuhr und wir uns aber noch im absoluten Norden befanden( Quito ist 50 km lang, nur wenige breit!!!). Mit Metrobus und den total überfüllten Trole Bussen brauchten wir sage und schreibe 2 1/2 Stunden um anzukommen, verpeilten es zwischendurch noch auszusteigen, bekamen aber am Busbahnhof angekommen, direkt einen Bus nach Baños. Als wir in diesen einstiegen stellten wir fest, dass wir die 3,5 h Busfahrt alleine verbringen mussten, da einer ganz hinten sass und einer vorn. Wenigstens war es eine schöne Strecke, erneut mit Cotopaxi-Blick.

4. Als wir ankamen war es stockduster, dennoch fanden wir relativ schnell unser im Reiseführer ausgesuchtes Hostal. Richtig sauber, gross und erneut für 12$ für beide. Da man in Baños ,im Vergleich zu anderen Orten Ecuadors, nachts noch sicher ausgehen kann, wollten wir dies auch nutzen.... Isa: "Julius nimmst du diesmal Geld mit?". Julius: "Wie Geld, das hast du doch, häh?". So..... Geld vergessen. Julius dachte, dass ich, warum auch immer für ihn sein Geld eingepackt hatte. Da ich bisher alles gezahlt hatte, bemerkten wir dies erst viel zu spät. Was nun? Ich hatte noch gerade genug Geld für die Rückfahrt am nächsten Tag und das Hostal plus unglaubliche 7$, mit denen wir was zu essen hätten kaufen können, aber keine einzige von den vielfach angebotenen Unternehmungen hätten machen können, weshalb wir gekommen waren, denn sonst gibts nur ne Kirche. Qué puta madre! Unser Handy, für das wir eine ecuadorianische Karte haben hatte auch keinerlei Empfang und für unsere Kreditkarten gab es bis dato noch keinen Pin. Wir riefen also aus einer der zahlreichen Telefoncabinas(in dieser Nacht lernten wir fast alle im Ort kennen) bei Hartmanns in Deutschland an. Nach 3 Mal anrufen wachten sie auch auf (2h Ortszeit!), hatten aber immer noch keinen Pin für uns. Der mittlerweile auch alamierte Bernardo, sowie dessen gesamte Familie, organisierte uns tatsächlich über viele Ecken jemanden, der im Zentrum ein Hostal besitzt, der uns Geld geben konnte. Unglaublich aber wahr. Erneut ein Beispiel wie unkompliziert die Leute hier sind. Zur Feier dieser glücklichen Lösung gingen wir was leckeres Essen und schliefen sehr gut. Wir glaubten unser Glück von vergangenen Tagen wieder gefunden zu haben.......................(verfasst: Isabelle)

5. Am nächsten Morgen standen wir früh auf, um genügend Zeit für die Fahrradtour zu haben, die wir uns vorgenommen hatten. Wir bezahlten unser Hostal, liehen uns zwei Fahhräder, deckten uns mit Proviant ein und machten uns auf, auf die ca. 30 km lange "Strasse der Wasserfälle" entlang des Rio Pastaza. Nach etwa fünf Kilometern Fahrt machten wir bei einer Tarabita (Transport-Seilbahn über den Rio Pastaza) halt. Unser Reiseführer (Buch) empfahl hier die Fahrräder stehen zu lassen, mit der Tarabita über den Fluss zu fahren, auf der anderen Flussseite auf einem kleineren Weg 1,5 km flussabwärts zu laufen um dann mit einer zweiten Tarabita wieder auf die andere Seite zu fahren und flussaufwärts wieder zu den angeschlossenen Fahrrädern zurückzulaufen. Nach kurzer Überlegung entschlossen wir uns so vorzugehen, doch wollten wir die Fahrräder mitnehmen um den Weg direkt fortsetzten zu können und nicht zurücklaufen zu müssen. Die Kassierer bei der Tarabita waren sich uneins über unseren Plan, der eine meinte es wäre kein Problem, der andere meinte es würde hart werden. Wir entschlossen uns dennoch unser Vorhaben umzusetzen. Auf der anderen Flussseite begannen wir unseren Weg auf einen gut ausgetretenen Pfad flussabwärts. Zunächst gestaltete sich dies noch recht einfach, doch es sollte schlimmer werden. Mit zunehmender Wegstrecke wurde der Pfad immer schmaler und und die Steigung nahm zu; es sollte in die Berge gehen. Mittlerweile bereuten wir, das Fahrrad mitgenommen zu haben, da es sich sehr schwer gestaltete die Steigungen von deutlich über 45 Grad (keine Übertreibung) zu bewältigen. Ich kam mehr und mehr an meine körperlichen Grenzen und mein bei kurzen Pausen ausgezählter Puls bewegte sich bei 160 Schlägen/min. Bei diesen Amstrengungen in der prallen Sonne auch kein Wunder. Nachdem wir nach ungefähr einer Stunde Marsch dachten es geht nicht mehr schlimmer, kamen wir in den dichten Bergwald (oder Bergdschungel?). Schwüle Hitze, viele stechende Insekten, die Fährrader und Isabelles panische Angst vor Schlangen (wir sahen keine einzige, aber egal....) machten den Marsch nicht gerade leichter. Zwischenzeitlich mussten wir kleinere Wasserfälle durchqueren, Matschlöcher durchwaten, Stacheldrahtzäune überklettern, renitente Kühe von unserem Trampelpfad vertreiben und ihren Exkrementen ausweichen (und das alles mit den "glücklicherweise" nicht zu schweren Mountainbikes!!!).



6. Als wir gerade eine etwas ebenere Wegstrecke passierten hörte ich plöztlich panische "Julius"-Rufe von hinten. Mein erster Gedanke: eine Schlange. Als ich mich umsah, sah ich Isabelle zuerst kaum, da sie den steilen Abhang hinuntergerutscht war und sich nur noch an einem Büschel Gras festhielt. Ich hechtete zurück, konnte sie noch am Arm fassen und wieder hochziehen. Beinahe wäre sie die ca. 200 Meter hinunter in den Fluss gefallen. Nachdem dieser Schreck verarbeitet war und Isabelle sich unglaublich tapfer zeigte, setzten wir unseren Weg fort. Nachdem wir eine Art Miniausgabe eines Bauernhofes, der an dem steilen Berghang mitten auf dem Weg lag (oder lag der Weg auf dem Hof?) und dessen Eigentümer pro Person einen Dollar "Wegzoll" verlangte, passiert hatten, begann der noch schlimmere Abstieg auf einem Pfad der streckenweise nicht existierte, sodass wir froh waren, als wir ihn nach ein paar Metern wiederfanden. Das Gefälle bewegte sich nun in den gleichen Grössenordnungen wie die Steigung zuvor, der Abhang links neben uns ging noch steiler herab. Nach zweieinhalb Stunden Marsch offenbarte sich der erste Blick auf die zweite Tarabita und wir schöpften neue Hoffnung, wobei uns die "1,5 Kilometer" mittlerweile ungewöhnlich lang vorkamen. Wir mussten erst noch eine weitere Stunde Höllenmarsch hinter uns bringen, bis wir die die zweite Tarabita völlig kaputt, von Dornen und Mücken zerstochen (Isabelle leidet noch jetzt an den über 30 Stichen, allein an den Beinen), total verschwitzt und von Schlamm verdreckt erreichten.
Ich empfand ein Gefühl von Erleichterung und Glück und Freude wie man es nur selten empfindet und war mir sicher, dass ich mich noch nie im Leben so verausgabt hatte.

7. Nun kam jedoch die Krönung der ganzen Unternehmung: Nachdem wir die Namensangaben der Tarabita und des örtlichen Wasserfalls auf den dortigen Schildern mit denen in unseren Reiseführer verglichen, wurde uns klar, dass wir, aufgrund von falschen Angaben im Reiseführer (es war nicht unsere Schuld!), die falsche Tarabita genommen hatten und einen Weg absolviert hatten, der garnicht vorgesehen war (Es gibt am Rio Pastaza drei Tarabitas, im Reiseführer ist jedoch nur von zweien die Rede und wir hätten den Weg zwischen der zweiten und dritten zurücklegen sollen, die erste Tarabita war im Reiseführer nicht verzeichnet.).

8. Als wir dann endlich wieder auf die andere Flussseite übersetzten durften (unsere Fahrräder stellten ein Problem dar), bemerkten wir, dass bei Isas Fahrrad ein Reifen platt war und bei genauer Begutachtung zeigte sich, dass ein Dorn (wo kam der wohl her?) der Verursacher war. Wir versuchten den Reifen mit dem Werkzeug, das wir mitgekriegt hatten, zu flicken, allerdings war das Werkzeug völlig unausreichend. Die unvorhergesehene Höllentour hatte uns in unserem Zeitplan so zurückgeworfen, dass wir nun keine Zeit mehr hatten (und mit dem platten Reifen auch gar keine Möglichkeit) weiter auf der "Strasse der Wasserfälle" zu fahren und so verpassten wir den wohl spektakulärsten aller Wasserfälle, wegen dem wir die Tour ja eigentlich machten.

9. Nun stellte sich die Frage, wie wir nach Baños zurückkommen sollten. Da Fahrradfahren nun nicht mehr möglich war, stellten wir uns, wie der Reiseführer empfahl, an die Strasse und warteten auf einen Bus. Leider waren die Busse die vorbeikamen alle schon voll, da sie aus dem nächsten grösseren Ort kamen. Da wir immer länger und länger warteten wurde uns nun die Zeit knapp und wir bekamen Angst unseren Bus von Baños zurück nach Quito zu verpassen. Mit der immer knapper werdenden Zeit wurde unsere Sorge immer grösser und so fragten wir alle Leute die dort mit dem Auto standen, ob sie uns mitnehmen könnten, aber leider war keiner bereit dazu. Unsere Rettung nahte in Form von zwei Polizisten denen wir, so gut es auf Spanisch und Englisch ging, unser Dilemma schilderten. Nun zögerten die beiden nicht lange, stellten sich auf die Strasse und stoppten den Verkehr so lange, bis ein passendes Transportmittel, in unserem Fall ein kleiner Lastwagen, gefunden war. Die Familie, der der Lastwagen gehörte half uns die Fahrräder auf der Ladefläche zu verstauen und wir gesellten uns zu dem Rest der Familie, der, wie in Ecuador üblich, ebenfalls auf der Ladefläche platzgenommen hatte. So ging es, in Ermangelung von Sprachkenntnissen, ohne ein Wort zu wechseln zurück nach Baños. Dort angekommen brachten wir die Fahrräder zurück, holten unser restliches Gepäck aus dem Hostal und kriegten unseren Bus just in time.

10. Während der nächtlichen Rückfahrt nach Quito wurde mit jedem Telefonat mit Bernardo klarer, dass er uns nicht wie verabredet am Busbahnhof abholen würde und so standen wir dann um neun Uhr abends an Quitos neuem Busbahnhof im Süden der Stadt (dem ärmeren und gefährlicheren Teil) und mussten uns die Fahrt in den Norden zum verabredeten Treffpunkt organisieren. Nach anderthalb Stunden nächtlicher Odyssee mit langen Wartezeiten an dunklen Haltestellen trafen wir im letzten Trole-Bus einen deutschen Austauschschüler der, wie er uns versicherte, "seit einem Jahr noch nie um diese Uhrzeit Gringos in öffentlichen Verkehrsmitteln gesehen hat", das sei doch viel zu gefährlich... Trotz dieses Umstandes erreichten wir die verabredete Haltestelle nach vielmaligem Fragen und trafen uns dort mit Bernardo, der uns mit nach Pomasqui nahm, wo diese Serie von Pleiten, Pech und Pannen endlich im heimischen Bett ein Ende nahm.
(verfasst von Julius)

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